Stammzellen verstehen: Hintergrund, Funktion, Wirkung
Die Stammzelltherapie ist ein modernes Feld der Medizin. Doch was sind Stammzellen? Stammzellen sind bei jedem Menschen ein Leben lang kontinuierlich im Einsatz. Sie teilen und vermehren sich und sind maßgeblich an den ständigen Erneuerungsprozessen im Körper beteiligt. Stammzellen helfen uns also dabei, gesund zu bleiben, indem sie verbrauchtes oder verletztes Gewebe regenerieren.
Das Prinzip ist simpel – aber genial: Stammzellen sind eine Art Ursprungszelle unseres Körpers. Sie haben die die Fähigkeit sich zu teilen und Körpergewebe zu entwickeln. Diese Fähigkeit von Stammzellen ist einzigartig. Normale Körperzellen verändern sich bis zu ihrem Tod kaum noch. Stammzellen hingegen behalten die Möglichkeit – und die Aufgabe – sich weiter zu entwickeln und die Zellen der Gewebe und Organe zu erzeugen.
Fähigkeiten von Stammzellen
Stammzellen haben zwei Schlüsselfertigkeiten: Die Selbsterneuerung (symmetrische Teilung) und die Differenzierung (asymmetrische Teilung). Bei der symmetrischen Teilung entstehen zwei Stammzellen, die mit der Mutterzelle identisch sind. Bei der asymmetrischen Teilung entsteht nur eine Stammzelle – bei der zweiten Zelle hat schon die Entwicklung zur Gewebezelle eingesetzt. Die symmetrische Teilung macht Stammzellen quasi unsterblich: Sie erzeugt immer wieder neue Stammzellen, und das in nahezu unbegrenzter Zahl. Die asymmetrische Teilung ermöglicht den Aufbau und die Reparatur von Organen – indem sie neue Gewebezellen produziert.
Unterschiedliche Stammzellarten
Stammzellen sind vielfältig, die typische Stammzelle gibt es nicht. Denn eine einzelne Stammzelle erzeugt eine Vielzahl anderer Stammzellen, aus denen die Organe und Gewebe entstehen. Die Bezeichnungen für Stammzellen sind daher unterschiedlich.
Zwei Merkmale werden grundsätzlich für die Unterscheidung herangezogen: Herkunft und Entwicklungsfähigkeit. Zwischen beiden besteht ein enger Zusammenhang: Stammzellen aus dem Embryo können als Kernzelle mit allen Fähigkeiten bezeichnet werden. Sie sind wesentlich wandelbarer als adulte Stammzellen eines Erwachsenen, werden aus ethischen Gründe in der Medizin jedoch nicht verwendet. Adulte Stammzellen bringen Zellen eines einzelnen Organs hervor und sind für deren Regeneration verantwortlich. Sie sind für die Medizin von großem Nutzen und werden für die Therapie einer Vielzahl an Beschwerden und Krankheiten eingesetzt.
Neben adulten und embryonalen Stammzellen, die sich auf die Herkunft der Stammzellen beziehen, unterscheidet die Wissenschaft zwischen Fähigkeiten der einzelnen Stammzellen, den sogenannten toti-, multi- und pluripotenten Stammzellen. Weitere Differenzierungen stellen die indizierten pluripotenten Stammzellen (IPS-Zellen) und die mesenchymalen Stammzellen dar. Alle Stammzellarten werden im Folgenden kurz erläutert.
Adulte und Embryonale Stammzellen
Adulte Stammzellen sind in den Organen eines jedem Menschen von der Geburt bis ins hohe Alter vorhanden Sie sind für die Regeneration von speziellem Körpergewebe verantwortlich und sorgen dafür, dass der menschliche Organismus am Leben erhalten wird. Denn jedes einzelne Organ im Menschen baut sich täglich ab und muss regelmäßig erneuert werden. Skelett und Muskeln zum Beispiel bauen sich fast im Wochenrhythmus ab und durch Stammzellen wieder auf. Dieser Prozess verlangsamt sich im Laufe des Lebens. Während ein junger Körper sich sehr schnell regeneriert, läuft dieser Prozess mit fortschreitendem Lebensalter immer langsamer ab. Eine Stammzelltherapie unterstützt diesen Prozess bei Beschwerden und Erkrankungen.
Embryonale Stammzellen kommen in einem frühen Entwicklungsstadium des Embryos vor. Sie wachsen sehr schnell und können sich zu allen anderen Körperzellen weiterentwickeln. Für die Forschung sind sie daher unersetzlich. Eine Therapie mit embryonalen Stammzellen verbietet sich allerdings aus ethischen Gründen, da hierfür Zellen aus einem Embryo entnommen werden müssten. Wenn im Zentrum für Regenerative Medizin und Stammzelltherapie von einer Stammzelltherapie gesprochen wird, sind immer adulte Stammzellen gemeint.
Toti-, Multi- und Pluripotente Stammzellen
Die unterschiedlichen Stammzellarten unterscheiden sich in ihrer Herkunft und ihrer Fähigkeit, neues Gewebe zu entwickeln. Für die Medizin haben daher nicht alle Arten den gleichen Nutzen. Bei der Befruchtung entstehen die sogenannten Urstammzelle. Sie haben alle Fähigkeiten, einen ganzen Mensch zu entwickeln und werden daher als totipotente Stammzellen bezeichnet,
Etwa fünf Tage nach der Befruchtung entwickelt sich die Blastozyste, die sich in der Gebärmutter einnistet. Aus diesem Stadium werden embryonale Stammzellen gewonnen. Aus embryonalen Stammzellen kann sich jedes menschliche Gewebe entwickeln, aber kein vollständiger Mensch mehr. Sie werden daher als pluripotente Stammzellen bezeichnet.
Mit der Geburt erhalten auch die Stammzellen einen neuen Namen. Sie werden nicht mehr als embryonale Stammzellen, sondern als adulte Stammzellen bezeichnet. Adulte Stammzellen bringen Zellen unterschiedlicher Organe hervor und sind für deren Erhalt und Regeneration verantwortlich. Aufgrund ihrer Fähigkeit verschiedene Gewebe zu bilden werden sie als multipotente Stammzellen bezeichnet. Sie wurden in der Medizin lange aus Knochenmark oder Nabelschnurblut gewonnen. Durch den erschwerten Zugang waren die Möglichkeiten, der therapeutischen Nutzung jedoch beschränkt. Klinische und wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass multipotente Stammzellen in einer sehr hohen Anzahl in menschlichem Fettgewebe, das ohne großen Aufwand zugänglich ist, enthalten sind. Die moderne Stammzelltherapie nutzt daher Stammzellen aus Fettgewebe zur Therapie und Behandlung einer Vielzahl an Erkrankungen und Beschwerden.
Mesenchymale Stammzellen
Mesenchymale Stammzellen sind eine spezialisierte Form adulter Stammzellen. Sie lassen sich grundsätzlich aus Knochenmark, Knorpel, Fettgewebe, Muskel, Lebergewebe, Blut, Amnionflüssigkeit isolieren. Einen sehr hohen Anteil an mesenchymalen Stammzellen ist jedoch im Fettgewebe zu finden, was für Medizin & Therapie mittels Liposuktion (Fettabsaugung) leicht zugänglich und für den Patienten mit wenig Aufwand verbunden ist.
Mesenchymale Stammzellen besitzen großes Differenzierungspotential mit pluripotentem Verhalten. Sie sind unter anderem für die Regeneration von Knochen, Knorpel, Muskeln, Bändern und Sehnen verantwortlich. Darüber hinaus wirken sie stark entzündungshemmend. Aufgrund dieser Doppelfunktion nehmen Sie einen großen Stellenwert in der therapeutischen Anwendung ein und spielen zum Beispiel eine wichtige Rolle in der Arthtrose Therapie. Klinische Studien haben gezeigt, dass bei vielen Verschleißerkrankungen der Gelenke nicht primär die Verschleißerscheinungen zu Schmerzen und Beschwerden führen, sondern Entzündungsprozesse im Gelenk. Besonders schmerzhafte, chronisch entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Gelenkarthrose an Schulter, Rücken, Hüfte, Knie und Händen können durch Stammzelltherapie mit mesenchymalen Stammzellen erfolgreich behandelt werden.
Induzierte Pluripotente Stammzellen (IPS-Zellen)
Eine spezielle Form der Stammzellarten wird als sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (IPS-Stammzellen) bezeichnet. Diese Stammzellen werden aus ausdifferenzierten adulten Zellen durch die Zugabe von 4 Genen erzeugt, wodurch eine Zellart entsteht, die jedes Gewebe bilden kann und damit signifikante Eigenschaften von pluripotenten Stammzellen aufweist. Für die Wissenschaft und Forschung ergeben sich dadurch weitere Perspektiven, neue Therapien und Behandlungen gegen eine Vielzahl an Krankheiten und Beschwerden zu entwickeln.